Die Montage ist der finale Produktionsbereich bei der Herstellung vieler Produkte. Damit ist sie der Taktgeber für alle vorgelagerten Prozesse. Jede Innovation muss sich somit, bei ganzheitlicher Betrachtung der Produktionsprozesse, an der Umsetzbarkeit in der Montage messen lassen. Agilität, Adaptivität und Industrie 4.0 sind hier die Schlagworte. Tobias Adlon ist Oberingenieur der Abteilung Fabrikplanung am WZL der RWTH Aachen. In diesem Interview gibt er einen Einblick in aktuelle Herausforderungen und mögliche Zielrichtungen der Montage der Zukunft.

Herr Adlon, Ihre Abteilung beschäftigt sich mit dem Thema Agilität im Kontext der Montage. Was verbirgt sich hinter dem Ansatz der „agilen Montage“? Und wieso müssen montierende Unternehmen gerade jetzt agiler werden?

Tobias Adlon: Die Corona-Pandemie verdeutlicht einen schon seit vielen Jahren anhaltenden Trend. Die Volatilität nimmt ständig zu. Gründe sind beispielsweise kürzere Produktlebenszyklen und dynamische Nachfrageschwankungen. Aber auch häufiger auftretende einschneidende Ereignisse, wie die Finanzkrise, die Brexit-Diskussionen oder die Corona-Pandemie sind Auslöser.

Daher muss die Montage flexibel bzw. sogar agil in Form von kurzzyklischen Änderungen der Produktion reagieren können. Die Pandemie lehrt uns, dass die Fähigkeit der kurzfristigen Produktionsumstellung von enormer Bedeutung sein kann. Zum Beispiel um auf die hohe Nachfrage von Beatmungsgeräten, Masken oder ähnlichem reagieren zu können.

Hinter dem Ansatz der agilen Montage verbirgt sich somit genau diese Fähigkeit. Die Montage soll, unterstützt durch technologische Befähiger, kurzfristig und hochfrequent auf Änderungen reagieren können. So befähigen fahrerlose Transportsysteme beispielsweise eine Flexibilisierung des Produktionsflusses. Oder Industrie 4.0 Lösungen ermöglichen eine echtzeitfähige Steuerung und damit bessere Austaktung der Montage.

Was ist im Kontext der Werkerassistenz unter Adaptivität zu verstehen?

Produzierende Unternehmen sehen sich zwei wesentlichen Herausforderungen gegenübergestellt. Zum einen steigern eine große Variantenvielfalt und die damit einhergehende Prozessvielfalt die Komplexität in der Produktion. Andererseits müssen sich produzierende Unternehmen oftmals der Herausforderung einer zunehmend heterogenen Belegschaft stellen, die sich durch einen deutlich unterschiedlichen Erfahrungsstand auszeichnet.

Diese prozess- und produktseitige Anforderungskomplexität, gepaart mit einer heterogenen Belegschaft, führt dazu, dass ein erhöhter und zunehmend individueller Informationsbedarf für Mitarbeiter besteht. Im Kontext der Werkerassistenz ist unter Adaptivität sowohl das Einstellen des Systems auf die Präferenzen und Kenntnisse des Mitarbeiters, als auch auf den Kontext in der Produktion gemeint. Diese kontextsensitive Anpassung ermöglicht es, die Mitarbeiter – insbesondere in der Kleinserienfertigung mit längeren Taktzeiten, z.B. im Maschinen- und Anlagenbau, bestmöglich zu unterstützen.

Im Bereich der Fabrikplanung kennt man das modular aufgebaute Aachener Fabrikplanungsvorgehen. Wie ordnet sich die agile Montageplanung in dieses Fabrikplanungsvorgehen ein?

Das Montageplanungsvorgehen ist nur ein Teilbereich der Fabrikplanung. Die Montage muss sich aber dennoch auf die Randbedingungen der Fabrik, wie Verfahrwege oder Fertigungsbereiche einstellen, um sich über physische Schnittstellen und Steuerungslogiken als Taktgeber in das Gesamtsystem einordnen zu können.

Das Aachener Fabrikplanungsvorgehen fasst Aufgaben in Modulen zusammen. Diese sind voneinander unabhängig, wenngleich zwischen den vernetzten Planungsmodulen stets Informationen ausgetauscht werden. Im fortschreitenden Planungsprozess sind die Planungsergebnisse und -module über Reifegrade miteinander gekoppelt. Dieser modulare Aufbau, eine reifegradbasierte Steuerung und die sich daraus ergebene zustandsbasierte Fabrikplanung ermöglicht ein agiles Vorgehen. Der aus der Softwareentwicklung abgeleitete „Factory SCRUM“ wird derzeit auch für die Montageplanung adaptiert. Dabei stellen wir stellen uns die Frage: „Wie viel Agilität ist auch für ein Montageplanungsvorgehen sinnvoll, wenn Produkte immer häufiger agil und kurzzyklisch in Sprints entwickelt werden?“ Ein Ansatz ist daher auch die Produktionssysteme agil oder zumindest hybrid zu planen, um mit den hochiterativen Designänderungen der Produkte Schritt zu halten. In ersten Projekten sehen wir vielversprechende Ansätze für die Reduktion von Planungsaufwänden und eine Verbesserung der Planungsergebnisse.

 

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