„Mit ROS befähigen wir uns zur Automatisierung von bislang unerschlossenen Tätigkeiten.”

Christoph Henke und Tobias Müller erforschen am Institut für Unternehmenskybernetik (IfU) e.V. die praktische Anwendung von Robotersystemen. Im Interview mit der Campus Forum GmbH erzählen sie, warum wir auf Roboter angewiesen sind und was bei der Programmierung eines Roboters besonders wichtig ist.

 

Campus Forum: Woran haben Sie heute gearbeitet, Herr Henke?

Christoph Henke: Gerade beschäftigen wir uns unter anderem mit der Frage, wie ein mobiler Roboter einen Gehweg von einer Straße unterscheiden kann. Das braucht man zum Beispiel bei Service-Robotern, die für die Letze-Meile-Lieferung eingesetzt werden sollen. In Städten können Bürgersteige und die Kante zur Straße ganz unterschiedlich aussehen. Außerdem stehen öfter mal Hindernisse im Weg und verändern so die Situation. Da braucht es spezielle Kamerasysteme und maschinelles Lernen. Außerdem bringen wir zurzeit Industrierobotern bei, Batterie-Packs aus Elektrofahrzeugen zu demontieren. Auch da braucht es maschinelles Lernen, damit die Roboter die einzelnen Komponenten erkennen, klassifizieren und lokalisieren können.

Was ist bei mobilen Robotern eine besondere Herausforderung?

CH: Wenn wir Menschen über die Straße gehen, nehmen wir die grüne Ampel, die langsamer werdenden Fahrzeuge und die Kinder auf der gegenüberliegenden Straßenseite intuitiv wahr. Innerhalb von Sekundenbruchteilen interpretieren wir die Situation auf Basis unserer lebenslang gesammelten Erfahrungen. Einem mobilen Roboter, der sich durch diesen hochdynamischen und komplexen Raum bewegt, muss man dieses Kontextwissen erst „beibringen“. Nur so kann er in jeder möglichen Situation die richtigen Entscheidungen treffen. Das gilt für einen Roboter, der Pakete auf Bürgersteigen austrägt genauso wie für ein Assistenzroboter, der in der Pflege unterstützt.

Und wo werden Roboter in der Industrie eingesetzt, Herr Müller?

Tobias Müller: Industrieroboter sind ein fester Bestandteil von Produktionsumgebungen. Als fahrerlose Transportsysteme (FTS) transportieren sie Materialien und Güter flexibel zwischen Anlagen, Lagern und Produktionen umher. Damit lösen sie an vielen Stellen die starre Fördertechnik ab und verbessern den Produktionsprozess. Außerdem können Roboter Maschinen bestücken und ihnen Teile entnehmen. Durch Bildverarbeitungssysteme unterstützt, greifen sie lose Gegenstände aus Kisten. Robotersysteme erledigen immer komplexere Aufgeben zuverlässig und effizient und auch die Mensch-Roboter-Kollaboration wurde durch personensichere Cobots möglich.

Eine wichtige Technologie ist dabei das Robot Operating System (ROS). Es stellt unzählige Komponenten für die Autonomie von Robotersystemen bereit, ob stationär oder mobil. Durch diese Verfügbarkeit ermöglicht es auch die Automatisierung von bislang unerschlossenen Tätigkeiten, wie zum Beispiel bei geringen Losgrößen oder bei klein- und mittelständischen Unternehmen.

Worauf muss man beim Bau eines Roboters achten?

TM: Zuerst müssen die Anforderungen an das System klar sein. Nur so können entsprechend der Kinematik die benötigte Sensortechnologie und der Grad der Autonomie des Systems und dessen Software-Komponenten bestimmt werden. Für einen zuverlässigen Betrieb ist dann die genaue Kalibration aller Systemkomponenten grundlegend. Anschließend muss das System intensiv in realen Anwendungsszenarien und Umgebungsbedingungen getestet werden. Außerdem müssen entsprechende Vorkehrungen für einen personensicheren Betrieb getroffen werden.

Warum ist die Robotik so wichtig für unsere Zukunft?

CH: Zum einen sind die Robotik und die Künstliche Intelligenz Schlüsseltechnologien, wenn es darum geht, insbesondere in Hochlohnländern, bei hohen Produktvarianzen und -komplexitäten und parallelem Fachkräftemangel wettbewerbsfähig zu bleiben.

Zum anderen können autonome Robotersysteme auch außerhalb des produzierenden Gewerbes, zum Beispiel im Handwerk und Bauwesen, dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Sie haben das Potential bei körperlich anstrengender Arbeit zu unterstützen und Automatisierungstechnologien auch in bislang für die Robotik verschlossen gebliebenen Domänen zu etablieren.

Nicht zuletzt hält die Robotik immer mehr Einzug in unser Privatleben. Das fängt beim simplen Staubsaugerroboter an. Auch in der Alten- und Krankenpflege können Assistenzroboter die körperlich anstrengenden Arbeiten übernehmen, sodass dem Pflegepersonal mehr Raum für die zwischenmenschliche Interaktion bleibt. Außerdem können Assistenzroboter zu einem längeren, selbstbestimmten Leben in der eigenen Wohnung beitragen.

 

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